Montag, 20. Dezember 2004

Aus dem Arbeitsleben

Ein ganz normaler Arbeitstag in der Produktmarketing-Abteilung eines namhaften (Hand-)Creme-Herstellers:

Abteilungs-Brainstorming
(gegen Ende des Meetings)

Abteilungsleiter Günter Bossig:
"Gut, dann ist es also beschlossen! Die Verpackung wird grün-weiß, das Logo wurde anglistiziert und hat eine Blüte wie eine aufgehende Sonne. Die Information um welches Produkt es sich handelt ist deutlich kleiner als das Logo - da wurde der Vorschlag von Frau Horn ja einstimmig abgelehnt. Auf der Rückseite befindet sich das ganze Werbe-Blabla und die Inhaltstoffe sind auch drauf. Alles schön klein, damit der Text von Herrn Schwindler auch trotz Strichcode und Vertriebsadresse komplett drauf passt."

Der Abteilungsleiter macht eine Kunstpause. Alle Mitarbeiter halten gespannt den Atem an: Hat das elendig lange Meeting jetzt endlich ein Ende???

"Aber da unten auf der Vorderseite fehlt noch was. Das sieht nackt aus. Da muss noch ein Text rein!"

17 Köpfe werden mühsam von einem heftigen und lauten auf-den-Tisch-knallen abgehalten.

Stille.

"NUN???? Irgendwelche Ideen???"

Alle Köpfe rauchen, keiner sagt was.

Dann meldet sich zaghaft der Abteilungspraktikant zu Wort:
"Vielleicht einen besonders wichtig klingenden Wirkstoff ... ???"

Leises Gemurmel durchflutet den Raum. Ein paar Köpfe nicken langsam.

Doch unerbittlich schneidet Bossigs Stimme in die anschwellende Zustimmung:
"Ja, was wollen Sie denn da schreiben? Wasser? Glycerin? Petrolatum? Oder einen der Alkohole? Mensch, Meier, strengen Sie mal ihren Kopf an! Wie lange sind Sie schon Praktikant bei uns? ..."

Texter Hannes Wort kommt dem armen Meier spontan, und zugegebenermaßen etwas unüberlegt, zu Hilfe:
"Chef, der Ansatz ist gar nicht so übel. Wir könnten ja einen Wirkstoff ... naja ... neu benennen ..."

"Und was schwebt Ihnen da so vor, Wort?"

Herr Wort ist leider grad etwas - nun, sagen wir wortlos. Aber Marina Lidschlag springt - wie immer - für Ihren Kollegen in die Bresche:
"Essenz klingt immer gut, Herr Bossig. Das wirkt bei Frauen. Ist momentan in der Werbung auch total angesagt!"

"Essenz ... soso," sinniert Bossig.
"Und was für eine Essenz soll das nun sein?"

Langsam wird es lauter im Raum. Man überlegt und diskutiert und murmelt. "Etwas mit Haut..." - "... ausgleichend vielleicht ..." - "... erfrischend ..."

"ENGLISCH!!!" brüllt Bossig in den Raum. "Anglizismen!!! Wozu ändern wir hier eigentlich die Verpackung, wenn's dann doch wieder deutsch wird? Wir waren uns doch einig: ANGLIZISMEN!!!"

Nach kurzer Schrecksekunde wird wieder gemurmelt. Zunächst leiser, dann immer lauter. Und plötzlich hat Bossig ihn gehört: den Ausdruck, der die Verkaufszahlen höher schnellen lassen wird. Er sieht sich schon beim Termin mit dem großen Boss, der ihm mit einem kräftigen Händedruck für seine Glanzleistung gratuliert!

"DA!" ruft er aufgeregt in den Raum und wedelt mit seinem Zeigefinger herum als wolle er auf eine Kakerlake zeigen, die eben noch über den Tisch gelaufen war. "DA WAR ES!!!"

Alles hält gespannt den Atem an.

Bossig kostet die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Mitarbeiter noch ein paar Sekunden lang aus. Dann verkündet er den genialen Einfall feierlich, als wäre es seiner gewesen:

"SKIN BALANCE ESSENCE!"

Selten ist Bossig so zufrieden aus einem Meeting gegangen. Meier fragt sich, ob der Chef überhaupt mitbekommen hat, dass der Einfall von ihm war und ob er jetzt doch endlich Azubi werden wird. Und jeder einzelne der restlichen Mitarbeiter, die sich nach Bossigs abschließender Begeisterungshymne erleichtert aus dem Raum schleppen, braucht dringend ein Entspannungsbad und eine Massage...

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