Dienstag, 29. August 2006

Von der Theorie zur Praxis

oder: Wie ein Holzhammer die rosarote Brille zerstörte

Teil 1: Ein Kaiserschnitt ist ja viel angenehmer
Vorweg gesagt: Ich hatte noch nie eine OP - war sogar noch nie im Krankenhaus gelegen. Von daher hatte der ganze Vorgang seine aufregende Seite. Und dann hat man ja auch noch die Horrorvorstellung eines 12- bis 14-stündigen Geburtsvorgangs umgangen. Wie schön!

Nee, nicht schön. Eher naiv. Eine OP ist nunmal nicht ohne. Und dann auch noch im Bauchbereich. Den benutzt man ja nun wirklich für fast jede Bewegung.

Aber zunächst mal zum OP: Die sehen in ER deutlich wohnlicher aus als im realen Leben. Metall wohin man sieht. Die Spinalanesthäsie (herrje, schreibt man das so?) war noch easy. Dann ging der grüne Vorhang hoch und es wurde geschnitten - und gerissen. Nennt sich "sanfter Kaiserschnitt" weil durch das Reissen weniger kaputt geht, als durch blindes Schneiden. Heilt auch besser. Fühlt sich aber derartig fies an (man fühlt ja keinen Schmerz, aber man wird halt bei der Reisserei herumgewackelt und irgendwie merken tut man es dann schon...), dass ich stumpf in Panik verfallen bin. "Jäisus, was lass ich da eigentlich machen, bin ich bescheuert?" war einer der Sätze, die mir durch den Kopf schossen. Ich fing an zu heulen und blickte - dem Himmel sei Dank - in die Augen meines Herzallerliebsten, der mir feste die Hand hielt. Angeblich redeten auch die Narkoseärztinnen beruhigend auf mich ein, aber daran erinnere ich mich nur vage.

Dann kam der Schrei. Kräftig und unverkennbar Baby. Und dann wurde mir das kleine Bündel gezeigt. Wegen der Unbeweglichkeit meiner Glieder musste ich etwas verquer schielen, aber ich hab ihn gesehen, meinen Sohn. Sein Vater ging dann mit ihm runter in den Kreissaal zum Waschen. Er wär auch bei mir geblieben, ich wollt aber nicht, dass fremde Leute den Kleinen in seiner ersten Stunde betreuen. Und wenn ich das schon nicht selbst konnte, dann wenigstens Papi.

Kaum waren sie raus, blieb mir die Luft weg. Ob das die nachlassende Anspannung war oder die etwas zu heftig gesetzte Narkose (die zu weit nach oben ging, wie wir dann feststellten) sei dahin gestellt. Jedenfalls musste ich dann in den Aufwachraum und dort warten, bis die Spinal gesunken war. Aber zuerst hieft einen eine Meute fremder Leute vom OP-Tisch ins Bett. Man selbst ist völlig hilflos, denn man kann ja von Brust an nix bewegen. Hängt da also wie ein nasser Sack und fragt sich, warum die sich keinen Kran holen. Halb nackt ist man ja noch dazu. Suuuper!

Im Aufwachraum röchelten zwei frisch operierte Opis vor sich hin und dämmerten sich aus der Vollnarkose. Da war ich froh, dass ich keine Vollnarkose hatte, denn das war schon heftig anzusehen. Allerdings hab ich mich geärgert, dass ich bei dem bissle Atemnot was gesagt habe, denn jetzt ging es mir gut, ich durfte aber trotzdem nicht zu meinem Kind eine Etage tiefer. Eine volle Stunde haben die mich da festgehalten, bis ich die Schwester so entnervt hatte, dass sie die Hebamme anrief, sie solle mich holen.

Und dann hatte ich ihn endlich bei mir, meinen Bub. Wie im Film wurde ich mit Blick auf die Krankenhausdecke - da könnte man ja prima mal ein paar Bildchen abringen, eine kleine Bildergeschichte vielleicht sogar - auf die Entbindungsstation geschoben und lernte die netten *hust* Schwestern kennen (siehe Teil 2).

Dann irgendwann lies die Spinal nach. Und die Schmerzen begannen. Alleine hinsetzen? Fehlanzeige! Die schicken weißen Overknees juckten und die blöde Netzunterhose zum Halten der dicken Windel musste seitwärts aufgeschnitten werden, sonst hätte sie meinen Astralkörper abgeschnürt. Wollen die mir sagen, ich bin das Dickste, was da mal im Bett gelegen hat? Wollen die mich verar***en? Gibt es davon echt keine größeren Größen? Hier entbinden nur Barbies, oder was?

Schon am nächsten Morgen jagten einen die Schwestern zum ersten Mal aus dem Bett und zur Toilette. Sicherlich lässt die tatsächliche Schmerz-Erinnerung nach, aber ich erinnere mich noch gut an meine Gefühle und Gedanken. Niemals würde ich das jemandem empfehlen. Niemals!

Es dauerte 3 Tage, bis ich meinen Sohn selbst aus dem Bettchen neben mir heben konnte. Bis dahin musste ich klingeln, wenn er schrie. Und die Schwestern kommen nicht immer sofort. Im Vergleich: Bei normal Gebärenden geht es nach 3 Tagen bereits heim. Die schlendern schon am Tag nach der Geburt mit den Bettchen über den Flur! Ich selbst habe meinen Sohn erst nach 3 Tagen das erste Mal nackt gesehen weil selbst gewickelt! Da war übrigens die Nabelschnur schon ab - die hab ich nie zu Gesicht bekommen!

Also, mein Tipp: Wenn man die Wahl hat, dann nehme man eine normale Geburt!

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jeamuc, Sonntag, 3. September 2006, 10:27
Oh mein Gott,
das liest sich ja noch schlimmer, als ich es mir je vorgestellt hätte. Aber Theorie und Praxis ist gut als ÜS. Vor einigen Wochen habe ich ne Zeit lang nachmittags im ZDF die Babystation (Doku-Soap) gesehen. Da gabs auch viele Kaiserschnitte und die Theorie, sprich den Ablauf dazu. Aber so richtig, wie sich die Frauen hinterher fühlten, hat keiner gezeigt. Ich hab das Programm dann auch wieder gecancelled, wegen zu vieler Komplikationen und Schnitte. Natürliche Geburten gab's so gut wie gar nicht.

Es fehlen einem glatt die Worte. Und dass mich Dein Bericht natürlich in meinen Bestrebungen bestärkt, brauch ich eigentlich kaum erwähnen. Aber wieder einmal bin ich ansatzweise verwundert, dass es anscheinend keine positiven Erlebnisse mit Ärzten gibt. Oder frag mich, ob die einfach nicht bei mir landen ;o)

Ich such immernoch nach passenden postiven Worten, wenigstens zum Ausklang meines Kommentars ... aber ich find keine. Na, ich les dann mal weiter, was Dir noch so passiert ist.

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ramirez, Sonntag, 3. September 2006, 13:45
Positives
Ich hab ja gar nicht über die Ärtze gesprochen. Die waren ok. Der Schnitt ist prima verheilt, die Narbe sieht sehr gut aus, die scheinen also alles richtig gemacht zu haben. Das ist jawohl das Wichtigste, denk ich.

Die junge Narkoseärztin, die mir die Spinal (unter Aufsicht einer älteren Kollegin) gesetzt hat, kam sogar am Dienstag um nach mir zu sehen. Und die ältere Kollegin hat mir angeblich beim Schnitt erzählt, was gerade gemacht wird um mich zu beruhigen. Nur, dass ich mich daran kaum erinnere.

Kurz: Über die Ärzte beklag ich mich gar nicht, nur über einen Teil der Schwestern (speziell eine) und die Krankenhaus-Sparmaßnahmen in dem Bereich!

Und ich hab auch schon Horrorstories gehört bzgl. Dammriss und so. Man kann also auch bei normalen Geburten Probleme bekommen, mit denen man sich länger herumschlagen muss. Und dass es sowas wie "Wochenfluss" gibt, erfährt man ja auch erst, wenn man tatsächlich ein Kind bekommt. Dazu hab ich übrigens einen Spruch erdacht:

Wochenfluss ist...
... wenn sich 9 Monate ohne Menstruation auf einen Schlag rächen!

Ich wünschte nur, ich hätte einige Dinge vorher gewusst, dann ist man nicht so schockiert, wenn es denn alles so kommt wie es kommen muss. Ich hätte es dann schlicht besser hinnehmen können und mich auf andere Dinge (die schöneren) besser konzentrieren können...

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jeamuc, Montag, 4. September 2006, 13:15
Okay, dann korrigier ich "Ärzte" in "Kliniken". So genau wollte ich es gar nicht nehmen. Aber, Dir zu erzählen, was Dich erwartet, was auf Dich zukommt, gehört m. E. schon in die Aufklärungspflicht von Ärzten, auch wenn sie ihren Job vielleicht gut gemacht haben, oder?

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ramirez, Dienstag, 5. September 2006, 18:24
Na, ich denke, zum Teil hatte ich selbst Schuld. Bin da halt etwas naiv rein. Leider. Und das Krankenhaus empfehle ich halt nicht weiter.

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sid, Sonntag, 17. September 2006, 22:28
Na ja, woher soll mans denn wissen? Wie schonr ichtig bemerkt wurde, man sieht immer nur die Bilder, aber wies den Müttern nach dem Schnitt gegangen ist, erfährt man eigentlich so gut wie nie. Ich denke, das wird zum Teil bewußt tot geschwiegen.

Hier gabs man eine Zeit lang die Bewegeung weg vom Schnitt wieder zurück zur natürlichen Geburt, weil sichs die Ärzte ziemlich einfach gemacht haben, um ja net ihren Golftermin zu verpassen.

So viel Infos wie möglich sammeln und viel Glück jeanmuc.

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