Mittwoch, 31. Mai 2006

Tür zu!

Ich bin ein eigenständiger Mensch.

Ich stehe seit nun gut 16 Jahren auf meinen eigenen Füßen. Fast so lange, wie ich es nicht getan habe.

Ich habe einen Kopf, mit dem ich denke. Gerne auch mal anders als andere. Schon immer etwas anders als du.

Dass ich so bin, hast du so gewollt, denn du hast mich erzogen. Und ich weiß, dass Selbständigkeit immer dein oberstes Ziel war für uns.

Nun kommst du selbst damit nicht klar. Weil sich das nicht mit deinem Hirarchie-Gefüge verträgt. Mit deiner Überzeugung, dass du noch immer das Recht hast, mich zu erziehen, zu bewerten, über mich zu richten.

Bis vor kurzem habe ich mich immer schuldig gefühlt, wenn ich mich dagegen gewehrt habe. Und du hast es auch immer gut verstanden, dies bei mir zu schüren. Mit deinen Tränen und deinen ironisch gemeinten Selbstvorwürfen und deinen Äußerungen über meine verletzenden Worte. Und damit, was du dir alles nicht mehr antun musst.

Du wirfst mir vor, dir laufend Vorwürfe zu machen.

Du hast es nicht mehr nötig, dir das anzuhören.

Ich auch nicht. Aber das ist nicht der Punkt. Aber es gibt Dinge, die mag ich nicht. Und warum sollte ich die noch länger in meinem Leben dulden?

Warum sollte ich mir sagen lassen, aus welchem Grund ich dich anrief, wenn du das gar nicht wissen kannst? Hast du mich gefragt? Nein. Warum nicht? Weil meine Absichten immer bösartig sind?

Und warum sollte ich nochmal riskieren, dass du nach 7 Minuten den Hörer auflegst, wenn ich zum vermehrten Mal anrufe um den Streit zu schlichten? Du hattest es nicht ein einziges Mal versucht. Warum eigentlich nicht?

Und warum stellst du mir Geburtstagsgeschenke vor die Tür, wenn du mit mir keinen Kontakt mehr möchtest, wie du mir selbst sagtest? Denkst du wirklich, mich interessieren die Geschenke? Oder einer deiner esoterisch angehauchten "Ich wünsche dir..."-Texte mit Abschiedsbrief-Charakter? Mich hätte ein Anruf gefreut. Oder vielleicht einfach nur der Satz: "Herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag!" Der war auf dem Brief nicht zu finden.

4 Tage hatte ich Zeit mir zu überlegen, wie ich darauf reagiere.
4 lange Tage, in denen ich mir alle Szenarien überlegte.

Nein, ich wollte nicht feige deine Kisten mit Hinterlassenschaften und deinen Geschenken vor deine Tür stellen, so wie du es bei mir getan hast.

Nein, ich wollte auch nicht mit dir reden, dich sehen, denn ein drittes Mal den ersten Schritt machen hätte mein Selbstwertgefühl ernsthaft verletzt.

Also tat ich, was ich fühlte: Gar nichts.

Ja, mir geht das Ganze nicht aus dem Kopf. Weil du meine Mutter bist und ich nicht verstehen kann, wie man sein eigenes Kind so abweisen kann, blos weil es seine eigene Meinung vertreten hat. Auch wenn das gegen deine Meinung ging. Nein, das verstehe ich nicht. Schon gar nicht jetzt, wo ich selbst Mutter werde und langsam merke, was für Gefühle da entstehen. Nein, ich kann das nicht begreifen.

Er ist dein erstes Enkelkind. Wenn du ihn sehen willst, dann wirst wohl du dieses Mal kommen müssen. So lange bleibt sie zu - meine Tür!

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don papp, Mittwoch, 31. Mai 2006, 19:57
uff.
hoffentlich befreiung ?

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ramirez, Donnerstag, 1. Juni 2006, 12:48
Ein wenig. Da ich weiß, dass ich ihr das niemals sagen dürfte (die würd sich glatt einen Strick nehmen, denn es wäre ja das Ende der Welt so fehlerhaft zu sein) war es mal an der Zeit, dass ich es aus mir rauslies. Eigentlich traurig, dass ich erst jetzt drauf gekommen bin, das hier zu tun. Wozu hat Frau denn ein Blog?
*tststs*

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jeamuc, Mittwoch, 31. Mai 2006, 23:14
Oh weh, das klingt sehr schwerwiegend. Also tat ich, was ich fühlte: Gar nichts. Dass das nicht wahr ist, weißt Du selbst am besten. Denn es tut weh. So verdammt weh. Wenn man zurückgewiesen wird. Ich hab das auch durch. Zum Glück nicht mit meinen Eltern, sondern klassisch "nur" mit seinen. Genau so. Dass es einen Streit gab und ich die jenige war, die betont hat, dass sie den Bruch nicht will ... Sie wollte ihn. Sie bekam ihn. Einen Rat kann man da gar nicht geben. Denn ich glaube, es gibt aus so einer Situation keinen Ausweg. Irgendwann im Laufe der Jahre ist es die jüngere einfach leid, immer wieder zu Kreuze zu kriechen und die ältere würde es niiiiiiieeeeee tun. Nicht ein einziges Mal. Dazu ist sie viel zu stolz.

Einerseits musst Du so handeln. Irgendwann mal nicht mehr nachgeben. Und warten. Die Gefahr besteht allerdings, dass beide Seiten ihre Wut so in sich hineinfressen, dass die Fronten immer härter werden. Unlösbar hart. Ich wünsche Dir, dass es nicht soweit kommt. Dass sich eine Lösung findet. Aber um Euretwillen und nicht dass Ihr Euch duldet, weil sie ihren Enkel sehen will.

P.S.: Wenn ich über solche schwierigen Verhältnisse nachdenke, fällt mir hin und wieder ein, dass man sich oft nicht verträgt oder mag, weil man sich zu ähnlich ist.

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ramirez, Donnerstag, 1. Juni 2006, 12:44
Gosh, was für ein Gedanke... Sie sagt ja immer, ich sei wie mein Vater. Wobei sie weiß, dass der Gedanke auch nicht viel besser ist. Der Grund, warum sie es immer mal wieder gern gesagt hat (das Versprechen, es nicht mehr zu tun hat sie bisher gehalten).

Im Prinzip hast du recht. Wir sind uns ähnlich in diesen Dingen. Eigentlich ist das Problem nämlich mangelnde Konfliktfähigkeit. Bei uns zuhause wird alles auf die Goldwaage gelegt, alles persönlich genommen und Kritik ist ein Angriff. So bin ich aufgewachsen. Es wäre ein Wunder, wenn ich nicht auch so denken und reagieren würde. Mit dem feinen Unterschied, dass ich dazulerne. Angefangen damit, dass ich erkannt habe, was das Problem ist. Aber auch das ist dann ein Vorwurf (das böse Wort) weil das ja impliziert, dass sie den Fehler gemacht hat. Dass es darum nicht geht und die Suche nach dem Schuldigen keinem was bringt, ich daher darauf gar keinen Wert lege, sie für schuldig zu erklären, das begreift sie nicht. Mir geht es nicht um Schuld sondern um eine Lösung des Problems. Nur wie willst du ein Problem angehen, wenn du die Quelle komplett raus lässt? Irgendwo wird sie immer mal zur Sprache kommen. "Pack das Problem bei den Wurzeln" geht halt nur, wenn man die Wurzel auch mal anpackt. Hm?!

Mein Freund hat das letztens bei einem unserer Streits auf den Punkt gebracht. Er sagte etwas zu mir, das mich in dem ganzen Bezug zum Nachdenken gebracht hat und mir hinsichtlich dessen auch die Augen ein wenig öffnete:

"Bei mir darfst du Fehler machen!"

.... no further comment ....

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jeamuc, Donnerstag, 1. Juni 2006, 16:07
oh, das ist wirklich was zum Nachdenken. Da steckt viel Liebe drin, in diesen Worten!

Und die Sache mit der Goldwaage ... hach, wie gut ich das kenne. Meine Ma, meine Schwester, ich, seine Ma, u. U. auch mein Pa ... Wie soll man da denn bitte rauskommen, wenn alle um einen herum so sind??? Zumindest schon mal mit der Selbsterkenntnis. Die ja bekanntlich der erste und beste Schritt zur Besserung ist.

Viel Glück uns dabei ;o)))

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ramirez, Donnerstag, 1. Juni 2006, 20:40
Genau!

Was wär denn das Leben ohne die großen Aufgaben? ;o)

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pommesrot, Donnerstag, 1. Juni 2006, 13:15
Das Blöde ist, dass sicher kein Tag vergeht, an dem Du nicht an Deine Mutter, deren Verhalten und die im Dreck steckende Karre denken musst.

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ramirez, Donnerstag, 1. Juni 2006, 14:43
*lach*
Ich hab grad auf deinen anderen Kommentar geantwortet und da steht genau das drin... Nur die Karre ist mir langsam egal...

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